Montag morgen quetschen wir uns zusammen mit den anderen neun Teilnehmern und vier Guides in ein kleines Toyota-Busschen. Ueber das sechs-eckige Kopfsteinpflaster mueht sich der Bus, stellenweise mit schleifender Kupplung und heulendem Motor, die steilen Strassen hoch. Beim ersten Stopp an einem Privathaus bekommen wir Bergwerksausruestung: beigebraune Hose und Jacke, Gummistiefel sowie Helm mit Beleuchtung. Fertig angezogen fahren wir weiter auf den Bergwerksmarkt. Dort kaufen wir unter Anleitung der Reiseleiter Geschenke fuer die Minenarbeiter. Wir koennen waehlen zwischen Softdrinks, hochprozentigem Alkohol, Beuteln voll Coca-Blaettern, Zigaretten oder Dynamitstangen.
Bevor wir uns, aufgeteilt in zwei Gruppen, in den Minenstollen begeben, empfiehlt unser Fuehrer die Einnahme von Coca Blaettern. Diese werden stueckchenweise in einer Backentasche verstaut. Die Blaetter sollen gut gegen die Hoehe sein, betaeuben die Backe jedoch zunaechst wie beim Zahnarzt. Fuer die Arbeiter, die taeglich sechs Stunden in der Mine verbringen, sind die Cocablaetter von grosser Bedeutung. Sie verleihen ihnen mehr Energie und unterdruecken jegliches Hungergefuehl.
In der Mine stampfen wir mit unserer Gummistiefeln im Licht unserer Helmlampe durch die Gaenge. Zunaechst fuehrt der Weg entlang der Gleise der Bergwerksloren. Bald schon klettern wir auf wackeligen Balken und Holzleiterchen einige Ebenen hinunter. An manchen Stellen geht es nur noch auf dem Hosenboden rutschend weiter. Je tiefer wir kommen, umso waermer wird es.
An den Enden mancher Gaenge treffen wir auf kleine Gruppen von Arbeitern, die sich ueber die mitgebrachten Geschenke sehr freuen. Gearbeitet wird mit mittelalterlichen Methoden. Die zehn Tonnen Gestein, die taeglich diesen Stollen verlassen, werden per Hand in Schubkarren und Koerbe geschaufelt, per handbetriebener Seilwinde hochgefoerdert und spaeter in bis zu 1500kg schweren Loren ans Tageslicht geschoben.
Nach drei Stunden Kletterei in den dunklen, staubigen und tief unten sehr warmen Stollen sind wir erschoepft. Schon waehrend der Kletterei hoeren wir mehrere Explosionen, durch die in benachbarten Stollen das Gestein gelockert wird. Als Abschluss laesst unser Reisefuehrer eine Dynamitstange ausserhalb der Mine explodieren. Er geht ganz locker mit dem gefaehrlichen Stoff um. Als die Lunte bereits brennt, darf jeder mal die Dynamitladung in die Hand nehmen und damit fuers Foto posieren.
Die 10 bis 15 toedlichen Bergwerksunfaelle jedes Jahr sind jedoch in den seltesten Faellen durch Sprengungen oder einstuerzende Gaenge bedingt, sondern meistens begruendet durch betrunkene Bergmaenner, die von Leitern fallen oder ungesicherte Schaechte hinabstuerzen. Das koennen wir uns gut vorstellen, denn schon nuechtern ist es schwierig, an manchen Stellen das Gleichgewicht zu behalten. Die Bergmaenner trinken jedoch jeden Freitag zu Ehren ihrer Heiligen puren 96 prozentigen Alkohol direkt aus der Flasche.
In jedem Stollen gibt es zudem noch eine Figur namens „Tio“ (Onkel), dem, dem Glauben der Arbeiter nach, das Silber, Zink und Blei gehoert, dass im Berg vergraben liegt. Zu Ehren des Tio und der Minen-Teufel werden den Figuren Geschenke in Form von Zigaretten, Coca-Blaettern und Alkohol dargebracht. Einmal im Jahr, im Juni oder August, werden zusaetzlich Lamas vor dem Mineneingang geopfert und dessen Blut in den Gaengen verspritzt.
Generell koennen wir sagen, dass es sich gelohnt hat, ueber das Wochenende in Potosi zu warten, um diese Tour zu machen. Wir haben zuvor schon einige Minen in Europa und Suedafrika besucht. Diese waren jedoch stets ausser Betrieb und als Museum angelegt. Die Mine in Potosi ist jedoch noch immer in Betrieb. Eigene Gaenge, Treppen oder Shows fuer Touristen gibt es nicht. Alles was man sieht, hoert und fuehlt ist echt.
Hallo Bjoern,
hab vor einigen Tagen Euren echt klasse geschriebenen und interessanten Blog entdeckt.
..da bekommt man wirklich Lust auf Südamerika – und Biken!!
Weiterhin von viel Spass und interessante Erfahrungen.
Gruss Heiko
(wir haben uns mal im Sommer 08 euf einem Polterabend eines Kollegen von Ines in Darmstadt gefroffen….)