Die Marathonetappe und der Baum

Langsam arbeite ich mich in der Platzierung wieder nach vorne. Eigentlich ist das falscher Ehrgeiz. Mein Ziel bei dieser Veranstaltung heißt ankommen. Gewinnen will ich nicht. Beim frühen Start um 7:00 vergesse ich das kurz und gebe Schub. Prompt verfahre ich mich auf den ersten Kilometern und verwirre damit auch einige andere. Die heutige Marathonetappe erfordert mit Ihren 580km Ausdauer, keinen Sprint. Daher fahre ich anschließend etwas moderater.

Die drei anstrengenden Flussdurchfahrten nach den ersten 40km machen mir zu schaffen. Zwei mal muss ich mir von anderen Fahrern helfen lassen (denen ich ebenfalls geholfen habe um ihre leichten Maschinen aus dem Fluss zu kriegen). Meine Maschine ist mit 155kg schwer alleine und ohne Schwung eine glitschige Böschung hoch zu bekommen. Ich setze meine Fahrt mit verschmutzter, beschlagener Brille abgekämpft fort. Roadbook, GPS und Tripmaster sind verschlammt und kaum lesbar. In einem kurzen Stopp reinige ich alles grob. Besser hätte ich etwas länger gehalten und alles in Ordnung gebracht. Mit mäßigem Tempo fahre ich weiter. Fälschlicherweise hatte ich in Erinnerung, dass die erste heutige Etappe in ein paar Kilometern zu Ende ist. Ich lasse zwei Fahrer überholen. In einem unkonzentrierten Augenblick schaue ich aufs schmierige Roadbook und durchfahre überraschend zwei tiefe Bodenwellen im harten Waldweg. Die Federung schlägt durch und ich komme vom Weg ab.

Der Einschlag in den Baum ist heftig. Zum Glück habe ich das Motorrad kurz davor noch zur Seite gedrückt, so dass ich am Baum vorbeifliege. Wie ein Wunder stehe ich wieder neben der am Baum liegenden Maschine und frage mich, wie ich dass so glimpflich habe überstehen können. Ich stelle das Motorrad auf die andere Wegseite ins Gras und mache ein paar Bilder mit dem Mobiltelefon. Der Baum sieht mitgenommen aus. Am Motorrad scheint nur das Schutzblech und der Scheinwerfer wirklich kaputt. Dahinter sind einige Kabel durch und auch das Zündschloss zertrümmert. Das muss sich doch reparieren lassen. Während ich probiere die Elektrik wieder hin zu bekommen, kommt Aynchel vorbei. Er gibt mir sein Elektro-Reparaturset (schließlich ist er Elektriker von Beruf) und fährt dann weiter, da ich beteuere es sei alles in Ordnung. Nach einigen Tests gebe ich auf. Ohne Schaltplan sind die 15-20 ausgerissenen Kabel nur schwer an die richtigen Stellen zu sortieren. Es tut sich nichts, egal was ich zusammen schließe. Zu allem Überfluss merke ich, nachdem sich das erste Adrenalin gelegt hat, dass meine linke Hand und mein linkes Knie geschwollen sind und schmerzen. Die KTM könnte ich nach der ersten Reparatur wieder ankicken. Nur leider kann ich weder mit links kicken, noch auf dem linken Bein stehen um mit rechts zu kicken.

Als Silke vorbeikommt lasse ich mir von Ihr die GPS-Koordinaten geben und gebe diese an Ralf durch. Dirk, Ralf, Fritz und Jan machen sich auf den weg zur Flussdurchfahrt und wollen mich von dort bergen. Fritz fährt mit Jan im Landcruiser mit Anhänger in den Wald und lesen mich auf. Im Wohnmobil fahre ich anschließend mit Ralf zum nächsten Camp. Nach mehrmaligem Verfahren kommen wir dort erst gegen 20:00 an. Der Arzt empfiehlt mir das Rennen abzubrechen und nach Deutschland zurückzukehren.